Dr. phil. Dipl.-Psych. Christina Meyer
Wohin einer geht, dort Sieht er sich wieder. Auf was unser Wesen, Auch in Schwachheit noch, Auch strauchelnd noch, Hinzielt – Das macht Unfehlbar uns aus; Daran einander Erkennen wir uns. Gotthard de Beauclair ("Alles meint Anfang", 1987)
Die Behandlung von Traumafolge- und Angststörungen ist heute explizit ressourcen- und lösungsorientiert. Im Rahmen des von mir angebotenen Behandlungssettings kommen verschiedene Therapieverfahren und therapeutiche Techniken zum Einsatz.
Die Abkürzung EMDR steht für Eye Movement Desensitization and Reprocessing, also Desensibilisierung und Wiederverarbeitung durch Augenbewegungen. Darunter versteht man ein von Dr. Francine Shapiro (U.S.A.) entwickeltes Verfahren zur Traumabearbeitung.
Während die Therapeutin ihre Hand vor den Augen des Klienten nach beiden Seiten bewegt und damit Augenbewegungen des Klienten initiiert, erinnert dieser sich an das Trauma und nimmt – angeleitet durch die Therapeutin – Teile der alten Szene wahr: Bilder, zu diesem Zeitpunkt entstandene Überzeugungen über sich und die Welt oder Körpergefühle. Bilaterale Stimulierungen können – je nach Präferenz des Klienten - ebenfalls auf der akustischen und taktilen Ebene vorgenommen werden. Dieses Setting wird so oft wiederholt, bis die Belastung des Klienten messbar abgesunken ist. Bei manchen Menschen ist das bereits nach zwei Sitzungen der Fall, andere - gerade Klienten mit mehrfachen traumatischen Erinnerungen - benötigen mitunter deutlich mehr Behandlungen. In der Fachwelt geht man davon aus, dass durch diese Art der Stimulation das Gehirn angeregt wird, abgespaltene Informationen wieder bereit zu stellen und effektiver zu verarbeiten. Wissenschaftliche Untersuchungen belegen, dass EMDR die bestmöglichen Heilungschancen für Patienten mit posttraumatischen Belastungsstörungen bietet.
Aus der inzwischen langjährigen therapeutischen Anwendung dieses Verfahrens weiß man, dass solch eine Restrukturierung von Gedächtnisinhalten auch für Klienten möglich ist, die unter lang zurückliegenden Erlebnissen, wie etwa der Erfahrung von Krieg und Vertreibung, leiden.
Brainspotting ist ein körperzentrierter Ansatz. Es ist eine sehr zielgerichtete Behandlungsmethode, um die zentralen neurophysiologischen Quellen emotionalen oder körperlichen Schmerzes, von Trauma, Dissoziation und einer Reihe anderer Symptome zu finden, zu verarbeiten und zu lösen. Demnach leistet Brainspotting beides gleichzeitig, Diagnostik und Behandlung.
Ähnlich wie bei EMDR wird bei Brainspotting ein emotional belastendes Ereignis erinnert. Dabei folgen die Augen einer langsamen Handbewegung des Therapeuten/der Therapeutin durch das Gesichtsfeld des Klienten/ der Klientin. Wird die kontinuierliche Augenbewegung durch eine unwillkürliche Reaktion wie zum Beispiel starkes Blinzeln unterbrochen, hat man an dieser Stelle einen Brainspot gefunden. Ein Brainspot kann über die Augenposition, die mit der Aktivierung des traumatischen oder emotional geladenen Themas im Gehirn einhergeht, gefunden werden. Diese Aktivierungen liegen typischer Weise in der Amygdala, dem Hippocampus oder dem orbitofrontalen Cortex des lymbischen Systems. Ein Brainspot bietet assoziativen Zugang zu einem neuronalen Netzwerk, das emotionale Erfahrungen als Gedächtnisinhalte speichert. Brainspotting wirkt auf die tieferen Hirnstrukturen und im Körper durch seinen direkten Zugang zum autonomen und lymbischen System des Zentralnervensystems. Es ermöglicht einen Zugang bis auf die Reflexebene und löst dort das Trauma auf. Brainspotting legt das Trauma im Kern frei, das Symptom, die körperliche Belastung und die Verbindung zu dysfunktionalen Überzeugungen.
Brainspotting ist ein physiologisches therapeutisches Instrument, das in eine Reihe von Behandlungsansätzen integriert werden kann. Brainspotting bietet einen neurobiologischen Zugang zu verschiedenen somatischen oder emotionalen Problematiken. Es kann effektiv und effizient eingesetzt werden zur Unterstützung der Rehabilitation nach Unfalltrauma, bei Trauma nach medizinischen Eingriffen, bei Stress und traumabezogenen somatischen Krankheiten, Trauma nach Kriegsgeschehen und Naturkatastrophen, Aggressionsproblematiken, Ängstlichkeit und Panik und beim Umgang mit schweren Erkrankungen.
David Grand, PhD, entdeckte und entwickelte Brainspotting. Er ist Psychotherapeut in freier Praxis in New York, ehemaliger Mitarbeiter des EMDR-Instituts von Francine Shapiro mit psychoanalytischer Ausbildung und EMDRIA-akkreditierter Supervisor. David Grand ist ein international anerkannter Experte für Traumatologie. Er widmet sich eingehend der Weiterentwicklung und Verbesserung der modernsten Behandlungsverfahren für Traumata und der möglichst breiten Weitervermittlung dieser Verfahren. Er ist Ausbilder für EMDR und Brainspotting und gibt Seminare zur Traumabehandlung und Leistungssteigerung (Performance Enhancement) in den USA, Europa, dem Mittleren Osten und in Südafrika.
(Verfasser Dipl.-Psych. Oliver Schubbe, Institut für Traumatherapie Berlin)
Bei dieser Methode stellen Klient und Therapeutin sich vor, dass sie gemeinsam einzelne Szenen des "Traumafilms" auf einem vorgestellten Bildschirm (z. B. Fernseher, Kinoleinwand, PC-Monitor) ansehen. Der Klient projiziert seine Erinnerung sozusagen auf eine Projektionsfläche. Dabei wird er von der Therapeutin unterstützt, alle Teile des Traumafilms – Bilder, Gefühle, Überzeugungen und Körpergefühle - in einer vom Klienten wähl- und regulierbaren Distanz wahrzunehmen und damit in die Lage versetzt, belastetende Erinnerungen aus dieser entfernten Perspektive auszuhalten.